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Können Antibiotika Übergewicht verursachen?

Unbestreitbar haben Antibiotika weltweit Millionen von Menschenleben gerettet. Mit Recht gehören sie bei schwerwiegenden Infektionen zu den wichtigsten Medikamenten. Während der letzten Jahrzehnte wurden Langzeitwirkungen entdeckt, mit denen niemand gerechnet hatte. In diesem Artikel erfährst du, worum es sich dabei handelt und was du dagegen unternehmen kannst.

Dass Antibiotika Übergewicht begünstigen kann, wurde auch bereits vor längerem in Studien gezeigt.

Die dunkle Seite der Antibiotika

Ein Antibiotikum tötet nicht nur bakterielle Krankheitserreger auf effektive Weise ab, sondern weist auch eine starke Wirkung gegenüber unserer Darmflora auf. Unter dem Begriff Darmflora oder Mikrobiom verstehen Ärzte und Wissenschaftler die Gesamtzahl aller Bakterien, die in unserem Darm leben. Darunterfallen sowohl die „guten“ Bakterien als auch die pathogenen. In einem gesunden Milieu besteht ein Gleichgewicht zwischen den beiden Fraktionen. Dies kann durch Antibiotika allerdings auch durcheinandergeraten.


Durch eine Antibiotika-Behandlung werden gesunde Bifidobakterien und Laktobakterien sowie eine Vielzahl anderer Bakterienstämme eliminiert. Eine Studie mit Erwachsenen und zwei Tierversuche mit Mäusen zeigen, dass die Gabe von Ciprofloxacin, Amoxicillin, Metronidazol und Vancomycin zu einem regelrechten Kahlschlag in der Darmflora führt. [1, 2, 3]

Aufgrund der modernen Ernährung vieler Menschen mit ungesunden Fetten, Weißmehlprodukten, ballaststoffarmen Lebensmitteln und zuckerhaltigen Getränken siedeln sich anschließend Mikroorganismen im Darm an, die große Nachteile für die Gesundheit mit sich bringen. Diese Störung des Mikrobioms wird als Dysbiosebezeichnet.

 

Antibiotika beschleunigen das Wachstum von Nutztieren in der Landwirtschaft

Ein Nebeneffekt der Antibiotika-Therapie wurde in den 1950er-Jahren von Landwirten entdeckt: Wenn man jungen Nutztieren mit dem Futter ein niedrig dosiertes Antibiotikum verabreicht, legen sie wesentlich schneller an Gewicht zu. Da die Tiere früher ihr Mastendgewicht erreichen, spart der Bauer Futtermittel ein und kann das Fleisch billiger verkaufen.

 

Aus diesem Grund kommen Antibiotika als Wachstumsförderer weltweit in der Tiermast zum Einsatz. Obwohl die Verwendung seit 2006 in der EU verboten ist, lässt sich diese Verordnung leicht umgehen. Heutzutage werden Antibiotikapräparate nicht mehr für die Gewichtszunahme, sondern zur Vorbeugung (Prophylaxe) von Krankheiten verschrieben.[4]

Auf welche Weise trägt eine Veränderung der Darmflora zur Entstehung von Übergewicht bei?

Mittlerweile gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien, die einen Zusammenhang zwischen einer Antibiotika-Einnahme und der Steigerung des Körpergewichts bei Nagetieren belegen. Obwohl die genaue Ursache bis heute noch nicht geklärt ist, lieferten Wissenschaftler plausible Hinweise auf den möglichen Mechanismus. [5, 6]

Im Jahr 2018 veröffentlichte eine Forschergruppe aus dem kalifornischen La Jolla einen Artikel in der renommierten Fachzeitschrift Nature. Sie fand heraus, dass eine Antibiotika-Behandlung bei Mäusen – wie bereits bekannt – die Zusammensetzung des Mikrobioms massiv beeinflusste. Als Folge trat eine Fehlbesiedlung des Darms auf, die wiederum Auswirkungen auf den Stoffwechsel der Zellen im Dickdarm (Kolonozyten) hatte.

Die Tiere konnten Zucker (Glucose) besser verwerten, wodurch sich eine Störung des Zuckerhaushalts einstellte. Genauso als würde ein Mensch jeden Tag mehrere Tafeln Schokolade essen, entstanden mit der Zeit immer mehr Fettdepots und es kam zu einer deutlichen Gewichtszunahme der Mäuse.

Dieses Ergebnis erklärt, warum Antibiotika-Therapien ein beschleunigtes Wachstum bei Nutztieren nach sich ziehen. Übrigens: Aus demselben Grund spielen Darmfehlbesiedlungen eine wichtige Rolle bei Diabetes mellitus Typ 2, dem sogenannten Altersdiabetes.[7]

Wie entsteht unsere Darmflora?

Bis vor Kurzem gingen Biologen davon aus, dass der Darm eines ungeborenen Kindes keimfrei ist. Erst mit der Geburt beginnt Schritt für Schritt die Besiedlung des gesamten Körpers mit lebenswichtigen Mikroorganismen. Aktuelle Studienergebnisse widersprechen dieser Vorstellung. In der Plazenta von Schwangeren fanden Forscher Hinweise auf Bakterien, die aus der Mundflora der Frauen stammten.[8]

Diese Mikroorganismen können über die Blutbahn in den Körper des Embryos gelangen. Deshalb gehen inzwischen die meisten Wissenschaftler davon aus, dass schon im Mutterleib die erste Besiedlung des kindlichen Verdauungstrakts stattfindet. Bei der Geburt nimmt das Kind weitere Bakterien aus der Scheidenflüssigkeit und dem Anus der Mutter auf. Bereits nach einer Woche enthält der Darm des Babys mehr als eine Billion Mitbewohner. Zur Verdeutlichung der Größenordnung: Eine Billion entspricht eintausend Milliarden.

Das sind mehr als zehn Mal so viele Mikroorganismen wie Körperzellen. Anders ausgedrückt ist jeder Mensch in seinem eigenen Körper in der Unterzahl. Welche Bakterienstämme sich im Darm des Neugeborenen ansiedeln, hängt fast ausschließlich von der mütterlichen Darmflora ab. Wenn Frauen während der Schwangerschaft eine Antibiotika-Therapie machen, verändert sich das Mikrobiom ihrer Kinder nach der Geburt. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen hält diese Störung bis zu mehreren Jahren an.[9]

Bei Kindern, die durch einen Kaiserschnitt zur Welt kommen, sind zahlreiche „unnatürliche“ Mikroorganismen zu finden. Aktuellen Forschungsarbeiten zufolge steigt dadurch das Risiko, Heuschnupfen, Asthma oder eine Nahrungsmittelallergie zu entwickeln.[10]

Mehrere klinische Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen einer vielseitigen Darmflora und der körperlichen und geistigen Entfaltung von Kindern auf. Gesunde Darmbakterien haben einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung unseres Immunsystems, der Nervenbahnen und des Hormonsystems. Darüber hinaus vermindern sie die Gefahr, dass ein Kind im Erwachsenenalter an Schizophrenie oder Autismus erkrankt.[11]

Antibiotika und Übergewicht bei Kindern

Laut einer finnischen Forschungsarbeit liefert die Zusammensetzung der Darmflora bei Vorschulkindern Hinweise darauf, wie hoch die Gefahr für die Entstehung von Übergewicht und Fettsucht (Adipositas) ist. Wenn ein Kind mit einem gestörten Mikrobiom eine Antibiotika-Behandlung erhält, steigt das Adipositasrisiko noch weiter. Im Jahr 2019 konnte dieses Ergebnis in einer groß angelegten Studie mit mehr als 330.000 Kindern bestätigt werden.[12, 13]

Ein gestörtes Mikrobiom begünstigt die Gewichtszunahme bei Erwachsenen

Die Zusammensetzung unseres Mikrobioms spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Übergewicht und Fettsucht. Diese Schlussfolgerung ziehen mehrere Studien, die mit übergewichtigen und normalgewichtigen Menschen durchgeführt wurden. Neben Antibiotika-Behandlungen machen die Wissenschaftler vor allem die heutzutage übliche Ernährung mit Fast Food, Zucker und „schlechten“ Fetten für die Störung der Darmflora verantwortlich.[14]

Häufig können auch Getreideprodukte, allen voran das hoch verarbeitete Weizen involviert sein. 

Als Folge kommt es vermehrt zu Entzündungen, wodurch die Darmwände geschädigt werden. Lebende Bakterien (Probiotika) und sogenannte Präbiotika haben einen gegenteiligen Effekt: Beide reduzieren die Entzündungsneigung und unterstützen die Heilung von Verletzungen in den Darmwänden. Präbiotika sind für uns unverdaulich, stellen jedoch die Nahrungsgrundlage für die „guten“ Darmbakterien dar.

Eine Übersichtsarbeit (Metaanalyse) aus dem Jahr 2017 untersuchte den Einfluss des Mikrobioms auf den Erfolg beim Abnehmen. Sowohl die Einnahme von Probiotika als auch der Verzehr von Lebensmitteln, die Präbiotika enthalten, sorgt demnach für einen effektiveren Abbau des Körperfetts.[15]

Darüber hinaus spielt der Darm und seine Darmbakterien eine sehr große Rolle in unserer allgemeinen Gesundheit. 

Fazit: Was du beim Abnehmen beachten solltest

Wenn du dein Gewicht reduzieren möchtest, denke zusätzlich an den Aufbau einer gesunden Darmflora. Denn mit einer Darmfehlbesiedlung gelingt das Abnehmen wesentlich schlechter. Zudem ist es sinnvoll, Antibiotika-Behandlungen auf absolut notwendige Fälle zu beschränken. Normalerweise schafft es unser Immunsystem ohne Hilfe von außen, gefährliche Krankheitserreger zu besiegen.

Am besten hältst du dich an folgende Tipps:

  • Bevorzuge eine gesunde und ballaststoffreiche Ernährung mit einem hohen Anteil an frischem Obst und vor allem Gemüse. Fast Food, weißer Zucker und Brot oder Nudeln sollten nicht oder eher selten auf dem Speiseplan stehen.
  • Verwende vor allem ballaststoffreiche Gemüse und Präbiotika, die unter anderem in Zwiebeln, Knoblauch, Wurzelgemüse, Brokkoli, Artischocken, Chicorée, Äpfeln, Bananen und Papayas vorkommen.
  • Verzehre regelmäßig fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut, Kombucha, Kimchi, Naturjoghurt, Kefir oder Wasserkefir.
  • Unter Umständen kann es sinnvoll sein, zusätzlich Probiotika einzusetzen. Achte dabei auf hochwertige Produkte mit einem breiten Spektrum verschiedener Bakterienstämme und einer hohen Anzahl an Bakterienkulturen.
  • Wenn du Fleisch isst, besorge es bevorzugt in einem Bioladen. Tierische Produkte aus dem Supermarkt enthalten meistens Spuren von Antibiotika, die sich negativ auf die Ansiedlung gesunder Darmbakterien auswirken. Darüber hinaus ist das Fettsäureprofil entsprechend schlechter. 

Der Vitamin-D-Status unseres Körpers hat ebenfalls einen großen Einfluss auf die Vielfalt der Bakterienstämme im Darm. Amerikanische Forscher wiesen anhand von Experimenten mit Nagetieren nach, dass die Unterversorgung mit Vitamin D zu einer Störung der Darmflora führt.[16]


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Quellenverzeichnis

[1] Dethlefsen L, Relman DA. Incomplete recovery and individualized responses of the human distal gut microbiota to repeated antibiotic perturbation. PNAS 2011 Mar 15;108 (Supplement 1):4554-4561.

[2] Robinson CJ, Young VB. Antibiotic administration alters the community structure of the gastrointestinal microbiota. Gut Microbes 2010 Jul-Aug;1(4):279–284.

[3] Antonopoulos DA, Huse SM, Morrison HG, Schmidt TM, Sogin ML, Young VB. Reproducible Community Dynamics of the Gastrointestinal Microbiota following Antibiotic Perturbation. Infect Immun. 2009 Jun;77(6):2367-75.

[4] https://en.wikipedia.org/wiki/Antibiotic_use_in_livestock

[5] Leong KSW, Derraik JGB, Hofman PL, Cutfield WS. Antibiotics, gut microbiome and obesity. Clin Endocrinol (Oxf). 2018 Feb;88(2):185-200.

[6] Zarrinpar A, Chaix A, Xu ZZ, Chang MW, Marotz CA, Saghatelian A, Knight R, Panda S. Antibiotic-induced microbiome depletion alters metabolic homeostasis by affecting gut signaling and colonic metabolism. Nat Commun. 2018 Jul 20;9(1):2872.

[7] Adeshirlarijaney A, Gewirtz AT. Considering gut microbiota in treatment of type 2 diabetes mellitus. Gut Microbes 2020 May 3;11(3):253-264.

[8] Aagaard K, Ma J, Antony KM, Ganu R, Petrosino J, Versalovic J. The placenta harbors a unique microbiome. Sci Transl Med. 2014 May 21;6(237):237ra65.

[9] Dardas M, Gill SR, Grier A, Pryhuber GS, Gill, AL, Lee Y-H, Guillet R. The impact of postnatal antibiotics on the preterm intestinal microbiome. Pediatr Res. 2014 Aug;76(2):150-8.

[10] Bager P, Wohlfahrt J, Westergaard T. Caesarean delivery and risk of atopy and allergic disesase: meta-analyses. Clin Exp Allergy 2008;38:634–642.

[11] Yang I, Corwin EJ, Brennan PA, Jordan S, Murphy JR, Dunlop A. The Infant Microbiome: Implications for Infant Health and Neurocognitive Development. Nurs Res. 2016 Jan-Feb;65(1):76-88.

[12] Korpela K, Zijmans, MAC, Kuitunen M, Kukkonen K, Savilahti E, Salonen A, de Weerth C, de Vos WM. Childhood BMI in relation to microbiota in infancy and lifetime antibiotic use. Microbiome 2017 Mar 3;5(1):26.

[13] Stark CM, Susi A, Emerick J, Nylund CM. Antibiotic and acid-suppression medications during early childhood are associated with obesity. Gut 2019 Jan;68(1):62-69.

[14] Festi D, Schiumerini R, Eusebi LH, Marasco G, Taddia M, Colecchia A. Gut microbiota and metabolic syndrome. World J Gastroenterol. 2014 Nov 21;20(43):16079-94.

[15] Seganfredo FB, Blume CA, Moehlecke M, Giongo A, Casagrande DS, Spolidoro JVN, Padoin AV, Schaan BD, Mottin CC. Weight-loss interventions and gut microbiota changes in overweight and obese patients: a systematic review. Obes Rev. 2017 Aug;18(8):832-851.

[16] Ooi JH, Li Y, Rogers CJ, Cantorna MT. Vitamin D regulates the gut microbiome and protects mice from dextran sodium sulfate-induced colitis. J Nutr. 2013 Oct;143(10):1679-1686.

 


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